Leute, checkt die Wurst!

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Im Oktober erscheint es also zum zwölften Mal: Das Wörterbuch der Jugendsprache. PONS hat damit 2001 einen Selbstläufer mit einem so genialen Konzept erfunden, dass es sich lohnt, einen zweiten Blick drauf zu werfen. Es funktioniert wie ein Perpetuum mobile und braucht die Kombination dreier Faktoren: Jugendsprache, Jugendkult und ein Buchverlag.

Beginnen wir mit der Jugendsprache. Sie entsteht von selber als pickelige Notwendigkeit zickiger Pubertierender. Früher, das heisst vor dem PONS Wörterbuch, ging die Entwicklung der Jugendsprache langsam vonstatten. Erinnern sie sich noch an den Durchzug des Wortes „geil“ – wie sich da eine ganze Elterngeneration standhaft gegen die Verwendung dieses Wortes gestemmt hat? Und wie eine komplette Generation Pubertierender dieses Wort genau deshalb geliebt und bei jeder sich bietenden Gelegenheit verwendet hat?

Irgendwann ist dann „geil“ in den allgemeinen Gebrauch übergegangen. Schuld daran war der Jugendkult. Jung sein gilt in unserer Gesellschaft als cool, sexuell attraktiv und damit erstrebenswert. Je älter man wird, desto jünger möchte man wirken. Es gibt einen kulturell bedingten Drang Nicht-mehr-Jugendlicher, möglichst jung zu wirken. Um jung zu wirken gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten. Die Sprache ist eine eher einfachere Methode, früher musste man dazu bloss alle positiven Adjektive durch „geil“ ersetzen – und damit auch nicht aufhören, nachdem man selber Kinder hatte.

Diesen Mechanismus erkannte der Buchverlag PONS Ende der 1990er Jahre. Aber nur ein Wort pro Generation war noch kein Geschäftsmodell. Also musste der Verlag den ganzen Prozess beschleunigen. Als erstes wurden die Jugendlichen aufgefordert, neue Wörter einzusenden. Ein ganz fieser Trick, der den Drang Jugendlicher nach Aufmerksamkeit schamlos ausnutzt. Sobald genug Wörter für ein Buch zusammen waren, wurden sie als Wörterbuch der Jugendsprache gedruckt. Da es ein wiederkehrendes Produkt werden sollte, kam noch das Jahr des Erscheinens in den Titel: Wörterbuch der Jugendsprache 2001.

Das Wort „Jugendsprache“ brachte nun all die Ex-Jugendlichen, die gerne wieder jung wären, dazu, dieses Machwerk zu kaufen. Und die Jahreszahl hat die Noch-Jugendlichen davon abgehalten, die in diesem Buch gedruckten Wörter ab diesem Datum weiter zu benutzen. Da gedruckte Wörter in den allgemeinen Sprachgebrauch übergehen, bestand nämlich Gefahr, dass sie auch von den Eltern benutzt werden könnten. Und damit waren all diese 1’500 Wörter als Jugendsprache per sofort unbrauchbar.

Und hier nun kommt das Perpetuum mobile in Schwung: dem erwähnten psycho-biologischen Drang folgend mussten die Jugendlichen sodann eifrigst neue Wörter erfinden, um sich damit gegen die Elterngeneration zu behaupten. Dem Drang nach Aufmerksamkeit folgend haben sie diese Wörter dann umgehend dem PONS-Verlag gemeldet. Und dieser druckte im folgenden Jahr daraus flugs ein neues Wörterbuch.

Seit da läuft die Masche zuverlässig und wie von selber, Jahr für Jahr. Auf Produzentenseite wird dieses Perpetuum mobile getrieben vom Drang nach Abgrenzung der Pubertierenden. Und das Gegenstück auf Konsumentenseite ist der kulturelle Drang nach Jugendlichkeit der Ex-Jugendlichen.

Eine geile Sache, würde man meinen. Doch wer bei „geil“ stehen geblieben ist, der sollte sich das neue Wörterbuch unbedingt beschaffen, um weiterhin sexuell attraktiv zu blieben. Also Leute, checkt die Wurst!

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