Wer kennt sie nicht: die Gebrüder Wright, Otto Lilienthal oder den berühmten Schneider von Ulm. Pioniere der Luftfahrt, deren Geschichte nach gängiger Vorstellung folgendermassen kurz zusammengefasst werden kann:
Zu Beginn des 19. Jh. stürzte der Schneider von Ulm beim Versuch, über die Donau zu Fliegen, unter dem Gespött der Leute in den Fluss ab. 70 Jahre später brachte Otto Lilienthal einige lächerliche Hopser zustande.
Ende des 19. Jh., hundert Jahre oder vier Generationen nach dem Schneider von Ulm, schafften verschiedene Protagonisten Hüpfer von einigen Metern mit unterschiedlichen Techniken und unterschiedlicher Resonanz in der Bevölkerung. Teilweise gab es Augenzeugen, teilweise wurden die Anstrengungen sogar fotografiert.
Interessant aber ist, dass in dieser Zeit eine umfangreiche Theorie und Literatur zum Thema Flugzeug der Kategorie „schwerer als Luft“ herausbildete. Die Menschen begannen also sukzessive an eine theoretische Möglichkeit zu glauben, dass so etwas wie das Fliegen möglich sein könnte.
Und zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Tipping-Point erreicht: Nachdem die Gebrüder Wright 1903 den ersten gesteuerten Motorflug durchgeführt hatten, dauerte es nur bis 1909 um mit einem motorisierten Flugzeug den Ärmelkanal zu überqueren. 1919 schon gelingt der erste Nonstop-Flug über den Atlantik. Und heute überzieht ein dichtes Netzt von Flugstrassen unseren Planeten und das Fliegen ist ein ganz selbstverständlicher Teil unseres täglichen Lebens geworden.
Einerseits ist es erstaunlich, in wie kurzer Zeit der Traum vom Fliegen schliesslich verwirklicht wurde: Es dauerte nur etwa 20 Jahre vom ersten motorisierten Hüpfer bis zum Nonstop-Flug über den Atlantik.
Andererseits ist das absolut verblüffende daran jedoch, wie lange es gedauert hat, denn der Traum des Fliegens ist sehr alt – fast ebenso alt wie die Naturgesetze, die das Fliegen ermöglichen!
Man denke an die griechische Mythologie und die Geschichte von Dädalus und Ikarus – schon damals also träumten die Menschen vom Fliegen. Aber genau solche Überlieferungen und Geschichten sind auch das Problem, denn mit ihnen wurde im kollektiven Bewusstsein die Idee festgesetzt, dass Fliegen nicht möglich ist und der Versuch dazu die Götter erzürne. Ikarus flog im Übermut zu nahe an die Sonne, seine wächsernen Flügel schmolzen und er stürzte ab.
Der kollektive Referenzrahmen sah das Fliegen nicht vor. Es war also immer ein mentales Problem und kein technisches – wenigstens nicht primär! Mit dieser Erkenntnis lässt sich einiges erklären! Man hat beispielsweise 1986 zweifelsfrei nachgewiesen, dass der Flugapparat des Schneiders von Ulm aus dem Jahre 1811 absolut flugtauglich gewesen wäre! Aber die damalige Zeit war nicht bereit dafür, das kollektive Bewusstsein, welches den Referenzrahmen schafft, lehnte die Möglichkeit des Fliegens ab. Darum konnte der Versuch des Schneiders von Ulm nicht gelingen.
Es gab (und gibt!) immer Leute, die nicht so dachten wie alle anderen. Es gab Menschen, die an die Möglichkeit des Fliegens glaubten und daran arbeiteten. Solche Menschen mussten mental stark und eigenständig sein und sich einen eigenen Referenzrahmen schaffen.
Im Verlaufe des 18. Jahrhunderts schafften es die Gebrüder Montgolfier, einen Heissluftballon zu konstruieren. Sie kamen drauf, weil sie beobachtet hatten, dass Rauch aufsteigt. So konnten 1783 stieg der erste bemannte Heissluftballon in den Himmel. Mit dieser Erkenntnis hat sich die Idee des Fliegens Schritt für Schritt im kollektiven Bewusstsein der Menschheit einzunisten begonnen. Der kollektive Referenzrahmen begann sich also langsam zu verschieben.
Es fällt auf, dass sowohl die Montgolfieres als auch die Wrights Brüder waren. Das ist deshalb bezeichnend, weil zwischen Geschwistern oftmals ein sehr enges Verhältnis besteht, welches offenbar in der Lage ist, sich einen eigenen Referenzrahmen zu schaffen.
Dieses System der schrittweisen Referenzrahmenverschiebung ist tief in der Evolution verankert. Denn das Fliegen haben ja nicht erst wir Menschen erfunden, sondern wir haben es von den Fischen gelernt! Das Leben ist im Meer entstanden (vor 4 Mia. Jahren), irgendwann hat sich der erste Fisch (entstanden vor 500 Mio. Jahren) an Land getraut (vor 400 Mio. Jahren) und etwas später auch in die Luft (vor 350 Mio. Jahren).
Der kollektive Referenzrahmen verschiebt sich immer noch weiter: Raumfahrt, bemannte Raumfahrt, Mondlandung, Raumstation, kommerzielle Raumfahrt, Besiedlung des Mondes und so weiter.
Technik braucht zum Funktionieren
Menschen die experimentieren.
Überdies, das ist zentral,
Braucht’s Bereitschaft auch mental!
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