Zumindest im deutschsprachen Raum ist „Hype“ ein neues Wort. Das Phänomen aber kennen wir schon lagen: Harry Potter ist ein Beispiel, das Waldsterben war ein anderes.
Traditionellen Medien können Hypes erzeugen, auch wenn Hypes immer eine gewisse Dynamik haben. Da die Medienschaffenden jedoch eine in sich geschlossene Gruppe sind, die sich gegenseitig beeinflusst und fördert, ist es möglich, Themen zu erzeugen. Man kann das während politischen Wahlen immer sehr gut beobachten. Die Partei mit den grössten Finanzreserven kann mit ihren Plakaten und weiteren Werbemassnahmen ein Thema setzen, das dann den Wahlkampf beherrscht. Dieses Thema kann im Gesamtkontext völlig irrelevant und unwichtig sein. Aber wenn der Hype einmal erzeugt ist, dann ist die Vernunft dagegen machtlos. Zu behaupten, die Medien oder die politischen Parteien nähmen nur die Themen auf, die die Leute tatsächlich beschäftigten, ist eine Ausrede. Die Huhn-oder-Ei-Frage stellt sich bei einem solch klaren Machtgefälle einfach nicht. Die unorganisierte Masse ist machtlos gegen einen finanziell potenten Medien- und/oder Politapparat.
Ganz anders ist das im Internet. Hier kann auch ein Einzelner am Anfang eines Hypes stehen. Ein Internethype unterscheidet sich aber von einem Hype in den traditionellen Medien: Im Internet ist es kaum mehr möglich, einen Hype zu erzeugen. Im Internet entstehen Hypes. Der Einzelne, der am Anfang steht, hat den Hype deshalb nicht erzeugt, sondern er stand einfach, mehr oder weniger zufällig, am Anfang einer Bewegung. Er löste sie aus, hat aber keine Macht über die weitere Entwicklung.
Aus der Chaostheorie wird das schöne Bild des Schmetterlings in Brasilien kolportiert, dessen Flügelschlag einen Tornado in Texas auslöst. Der Schmetterling hat damit den Orkan nicht verursacht, er stand bloss am Anfang einer Kausalkette. Im Internet sind solche Schmetterlinge beispielsweise Justin Bieber, Planking, oder das Mobiltelefonspiel angry birds. Diese Hypes wurden nicht von klassischen Medien erzeugt (höchstens allenfalls verstärkt), sondern sie entstanden. Die Mechanismen, die dazu führten, sind unbekannt und unerkennbar – auch wenn social media Experten das nicht wahrhaben wollen.
Die Antwort liegt letztlich in der Chaostheorie. Internethypes sind als nicht gemacht oder hergestellt, sondern entstanden und gewachsen. Das ist die völlig neue Dimension, die das Internet gebracht hat. Eine deutsche Übersetzung von Hype, „Wirbel“, klingt zwar nicht so sexy, trifft aber den Punkt. Auch ein Wirbel hat einen Anfang, einen Auslöser. Doch ist es nicht dieser Anfang, der den Wirbel beherrscht, eher umgekehrt.
Nassim N. Taleb (in: Wie hat das Internet Ihr Denken verändert? Die führenden Köpfe unserer Zeit über das digitale Dasein, Hrsg. von John Brockman) hat es schön auf den Punkt gebracht: Das Internet führt durch die Verbreitung von Informationen zu einer Zunahme der wechselseitigen Abhängigkeiten, zum Ausufern von Modeerscheinungen. Neben ‚Modeerscheinungen’ braucht er noch ein anderes Synonym für Hype: Technologien sind zwar das Grösste auf der Welt, aber sie haben ungeheuerliche Nebeneffekte – die man ausserdem selten rechtzeitig erkennt. Dank des Internets wissen wir immer mehr, weil das gesammelte Wissen der Menschheit jederzeit sofort verfügbar ist. Gleichzeitig nimmt aber auch die Vorhersagbarkeit ab: Jederzeit kann ein Internethype entstehen mit ungeahnten Auswirkungen auch ausserhalb des Internets.
Fatal wird es, wenn man die Logik traditioneller, erzeugter Hypes auf die Internetwelt anwenden will, denn das funktioniert nicht. Internethypes sind zwar in der Regel grösser als traditionell erzeugte Hypes, aber man kann sie nicht erzeugen, sie passieren. Sie sind nicht rational, sondern folgen irrationalen, chaotischen Gesetzmässigkeiten – wobei diese Formulierung natürlich ein Widerspruch in sich ist. Das hat zum Einen Konsequenzen für Leute, die gerne einen Hype erzeugen möchten. Hugh MacLeod hat das in Ignore Everybody: and 39 Other Keys to Creativity treffend ausgedrückt: If your business plan depends on suddenly being “discovered” by some big shot, your plan will probably fail.
Immerhin, soviel Trost muss sein, kann die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, am Anfang eines Hypes zu stehen: Durch kontinuierliche harte Arbeit. Denn in der Chaostheorie gelten die Regeln der Wahrscheinlichkeit. Angry Birds zum Beispiel war das fünfzigste Spiel, das die Firma Rovio entwickelte. Es passiert nicht über Nacht, es braucht harte Arbeit. Und die zweite Hälfte der Konsequenzen sind noch wichtiger: Erkennen den Hype, und erkenne ihn als solchen!
Nur weil alle in eine Richtung rennen, heisst das nicht, dass die Richtung die richtige ist auch für dich. Das chaotische Internet ist anfällig für die Entstehung von Hypes. Und der Mensch ist anfällig, einem Hype blind zu folgen – mit teilweise fatalen Folgen. Das zeigt die gegenwärtige Finanzkrise eindrücklich. Wobei man anfügen muss, dass auch die Idee der Finanzkrise letztlich ein blosser Internethype ist…
[…] im Netz. Alles hängt mit allem Zusammen. Bewegungen (Movements) und Hypes (mehr dazu habe ich hier geschrieben) entstehen, weil das Netz es so will. Überdies, das zeigt uns beispielsweise Derek […]